Freitag, 19. August 2011

Ost-West-Friedenskirche, Olympiapark Süd, München

OB Christian Ude nannte sie den "liebenswürdigsten Schwarzbau" Münchens. Praktisch jeder Münchener kennt sie (oder ihren Erbauer). Hunderttausende sind jedes Jahr in unmittelbarer Nähe und trotzdem ist sie immer noch eine unfassbare friedliche Oase mitten in der Innenstadt - die Ost-West-Friedenskirche in Ihrem Bienenhain.


Kaum habe ich es nach über 15 Jahren in München endlich geschafft, diese ungewöhnliche Ausnahme von der bürokratischen Regel einmal aufzusuchen, schon stellt sich heraus, daß meine Frau den Erbauer persönlich kennengelernt und Cousine Eva ihm als Kind Schokoladensilberpapier gebracht hat ;-).
Ja, Väterchen Timofei hat viel geschafft in München. Er baute noch im Kriegsschutt aus selbigem Haus, Kirche und Kapelle. Obwohl alles ohne Genehmigung wurde er zeitlebens von den Behörden toleriert. Obwohl sein Ensemble eigentlich dem Olympiapark hätte weichen sollen, wurde nach Protesten der Münchener letzterer verlegt und nicht das Refugium des Väterchens. Er wurde 110 Jahre alt und war damit Münchens ältester Bürger. Und er hat auch geschafft, daß die Münchener ihn nicht vergessen haben und sich ein fleissiger Verein seit seinem Tod liebevoll um sein Vermächtnis kümmert.
Nur eines hat er nicht geschafft - aber dazu später.


So sieht das TollWood-Gelände aus, wenn nicht gerade TollWood ist, das große immer noch alternative Festival, das zweimal im Jahr hunderttausende Besucher zu Veranstaltungen und Markt anlockt. 10 Minuten zu Fuß vom ehrwürdigen Olympiastadion entfernt. Dreht man sich jetzt um 60° nach links, erwartet den Neugierigen hinter einem Bretterzaun das:


Ein verzaubertes Stückchen Paradies, ein Hauch von sibirischem Taiga-Dorf mitten in München. 2 kleine Häuser (eines davon heute das Väterchen Timofei Museum), Kapelle und natürlich die Ost-West-Friedenskirche.


Man kann sie glauben oder nicht - die Geschichte von der Jungfrau Maria, die ihm im Weltkrieg befahl nicht nach Hause zurückzukehren sondern in den Westen um dort für den Frieden eine Basilka zu bauen. Man kann auch an der zweiten Erscheinung zweifeln, die ihn nach Bayern schickte - nachdem die Wiener ihn die Kirche nicht bauen lassen wollten. Der Rest ist verbrieft. Timofei ging mit seiner Lebensgefährtin Natascha nach München.
Dort sind sie um das Jahr 1952 angekommen, schliefen unter Brücken, kochten am offenen Feuer. Das Oberwiesenfeld (heute Olympiapark) - eine Wüstenei aus Abfall und Kriegsschutt. Verbrannte Erde. Niemandsland. Zuerst entstand die Kapelle; dann, auf dem Fundament einer Flak-Station, errichteten sie aus Brettern und Gerümpel die Basilika.


Als weiteres Wunder mag gelten, daß nach heftigen Protesten der Münchener Bevölkerung, die Planung für das Olympiagelände geändert wurde und so dieses einmalige Ensemble gerettet werden konnte. Vielleicht ist es aber auch nur einer tiefer Blick in die wahre Seele dieser Stadt.

Als ich dort war , war es heiß und sonnig - ein Wochentag im August, mitten in den Sommerferien. Kein Wunder also, daß ich der einzige Besucher war.


Umso bemerkenswerter, daß jedoch tatsächlich 2 Vereinsmitglieder auf dem Anwesen gearbeitet haben. Sie kommen fast täglich vorbei und helfen diesen Zaubergarten zu erhalten.
Vielleicht ist es das größte Schaffen, des Väterchens: Daß er auch noch Jahre nach seinem Tod die Menschen bewegt und motiviert. Nur seine Frau Natascha durfte er hier nicht bestatten - das ging den Behörden dann wohl zu weit. Er baute ihr trotzdem ein Grab.


Dort war er zu sehen - betend oder Blumen auf´s Grab legend.
An diesem so magischen Ort kann man sich bestens vorstellen, daß die letzte Legende um Väterchen Timofei - aus dem liebevollen Nachruf der Süddeutschen auf ihn - wahr sein könnte:

Vielleicht erzählt man sich bald wieder eine letzte, phantastische Geschichte. Etwa so: Manchmal, wenn man lange genug auf der Bank vor diesem Haus sitzt, eingelullt vom Summen der Bienen und einer ins Kraut schießenden Natur...manchmal also erscheint da ein Mann mit Rauschebart und weißem Haar und setzt sich dazu. "Gestatten, Timofej Wasiljewitsch Prochorow."


SZ vom 14.7.2004: 
Wikipedia:

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen